Theoretisches

Zeitlos und offen

Architektur ermöglicht Gemeinschaft, sie ist Hintergrund für die bunten, ständig wechselnden Bilder des Gebrauches. Gute Architektur funktioniert auf den 2. Blick und bleibt als neutrale Folie im Hintergrund und schweigt. Gute Architektur ist zeitlos, unabhängig von Mode, Stil und Spektakel!

Unsere Architektur ist daher leise, drängt sich nicht auf und ermöglicht durch ihre Offenheit den beständigen Bestimmungswechsel des Gebrauches. Sie besitzt eine Offenheit für viele Fälle und ist im besten Sinne nicht spezialisiert auf den funktionalen Sonderfall, sondern stets adaptierbar wie ein Spielzeug für unterschiedlichste Funktionen. Eine solche Architektur besitzt eine überzeitliche Dimension jenseits von Mode und Spektakel. Sie hat Permanenz.

Ganzheitlich 

Gute Architektur orchestriert Raum über Material, Konstruktion, Nutzung und Ortsbezug zu einem ganzheitlichen Erlebnis. Die Bedingungen hierfür sind Dauerhaftigkeit, Nützlichkeit und Schönheit. Architektur versteht sich vor diesem Hintergrund als Speicher von Wissen und Erfahrung und nicht als selbstreferenzielles System modischer Affekte. Sie fokussiert sich auf die Resonanzphänomene der Sinne – also auf sich wechselseitig anregende, überlagerte Sinnesmodalitäten und auf das Zusammenspiel dieser Modalitäten als Klang, kurzum, auf die Architektur als ganzheitliche Erfahrung. 

Anonym

Architektur beginnt, um es mit Mies zu sagen, dort, wo zwei Steine sorgfältig übereinandergelegt werden.

Alle „gebaute“ Architektur, ob sie nun handwerklicher Fertigung oder industrieller Fabrikation ihre Entstehung verdankt, ist notwendig angewiesen auf das natürliche Gefühl für Material und Gefüge, wie es in den reduzierten Konstruktionen primitiver Bauten spürbar ist.

Eine solchermaßen Anonyme Architektur wird getragen durch ein und dasselbe Ordnungsprinzip, das die Bauten der Gegenwart wie auch die primitiven Holz- und Steinkonstruktionen der frühesten Anfänge durchdringt. Jedes Detail dieser vermeintlich primitiven Alltagsarchitekturen gehorcht dem Gesetz des Ganzen.

Der Rückgriff auf dieses im Alltäglichen gespeicherte Generationenwissen hat seine Verheissungen, da sich im Ursprünglichen eine feste Basis finden läßt, auf der gute Architektur gegründet werden kann.

Unmodisch

Mode endet als Prozess der Selbstverstärkung, aber auch der Selbstzerstörung, sie endet in Überdruss und Langeweile. Mode verbraucht Neuigkeitswerte. Der zwanghafte Reflex, originell sein zu müssen, schaltet die Möglichkeiten kumulativen Wissens grundsätzlich aus.

Unsere Architektur versteht sich deshalb als eine Baukunst ohne Rhetorik, welche die historische Erfahrung auf ihre gültigen Regeln hin hinterfragt. Eine solche Haltung sucht ihre dauerhaften Prinzipien jenseits der Stilarchitektur im anonymen, im vernakulären Bauen. So geht es uns um die Wesensbestimmung der Architektur jenseits von beliebigem Postmodernismus und modischer Moderne, mithin jenseits von auswechselbarem Stilzitat und modischem Affekt.

Abstrakt

Wie keine andere “Kunstform” ist die Architektur, im Vergleich zu anderen Künsten, nicht in der Lage, Szenarien, Ereignisse oder Objekte  – also visuelle Realitäten – aus der Natur zu beschreiben oder darzustellen. Wie in der Musik können, Architektur und Städtebau nicht auf vorhandene Vorbilder zurückgreifen, sie können ihre Themen weder aus konkreten Motiven und Ereignissen entnehmen, noch können sie visuelle Realitäten und Modelle in künstlerische, emotionale oder manchmal abstrakte Ausdrucksformen umsetzen. Im Vergleich zu den anderen Disziplinen ist die Architektur die einzige Disziplin ohne deskriptive Qualitäten. 

Ihren emotionalen, intuitiven oder intellektuellen Ausdruck findet die Architektur einzig über das Mittel der Abstraktion, im Sinne des Entdeckens von Gedankenkonzepten und formalen Ordnungsprinzipien. Um Emotion, Intuition oder intellektuelle Gedanken architektonisch ausdrücken zu können, müssen also zunächst Ideen und Konzepte gesucht und möglicherweise thematisch variiert als Leitgedanke in einem Ordnungsprinzip verifiziert werden.

Konzeptionell

Gute Architektur gehorcht einer Idee und basiert auf notwendigerweise abstrakten Konzepten. Sie basiert also auf Regeln und Ordnungsprinzipien. Ein übergeordneter Gedanke, der Ordnung in die Vielfalt bringt, ermöglicht in seiner gedanklichen Zusammenführung als Konzept, erst Architektur.

Ein Konzept ergibt sich aus der gedanklichen Zusammenfassung von Gegenständen und Sachverhalten, die sich durch gemeinsame Merkmale auszeichnen.                                                                       

Als Ur- oder Musterbild formuliert hierbei die Idee das Wesen der Aufgabe oder des zu entwerfenden Gegenstandes. Sie versteht sich gewissermaßen als übergeordneter, synoptischer Gedanke, der alle Teile einer als ungeordnet empfundenen Wirklichkeit sinnvoll verbindet. 

Ordnend

Entwerfen ist mehr als reine Dekoration oder im günstigsten Falle Interpretation von Wirklichkeit, sondern versteht sich als Korrektiv. Leben, Abenteuer und Zufall müssen gelebt und nicht in Entwurf verwandelt werden.

Entwerfen ist etwas anderes, gehorcht inhärenten Regeln: den Regeln der Vernunft, der Genauigkeit, der Strenge, von Geometrie und Ordnung.

Die grundlegende strukturelle Ordnung ist hierbei mehr als die Summe konstruktiver Lösungen.

In der architkektonischen Gestalt wird selbst das kleinste Detail in Selbstähnlichkeit bestimmt, erfaßt und geprägt von einem zugrunde liegenden, allgemeinen und generisch- strukturgenerierenden Prinzip. Dieses ist als Leitvorstellung keine spezifische Lösung von unterschiedlichen Problemstellungen, sondern die bildgebende, gemeinsame Idee.

Sprachlich

Architektur ist eine Disziplin mit einer spezifischen Sprachlichkeit mit eigener Grammatik und Syntax, über die eine zugrundeliegende Idee artikuliert werden kann. Gute Architektur basiert auf Regeln, die verständlich sind. Sie ist auf unterschiedlichen Ebenen lesbar und kann sowohl verbalsprachlich, zeichnerisch, als auch nach den Ordnungsprinzipien des Raumes  selbst modellhaft kommuniziert  werden. 

Jedes Projekt basiert auf einem Ideen-Zusammenhang, der spezifisch ist und die möglichst selbstverständliche Antwort zum Wesen der jeweiligen Aufgabe liefert. 

Eine gute Konzeption ermöglicht Antworten zur weiteren Entwicklung des Konzeptes und ist eine Art Generator zur Formulierung der Entwurfsentscheidungen und hilft, den Entwurf im besten Falle selbstläufig zu konkretisieren.

Gute Architekturen besitzen genetische Codierungen, die eine angemessene Gestalt ermöglichen. Form ist in diesem Zusammenhang das sprachliche Mittel und Ausdruck kultureller Bewußtheit. Form stiftet Sinn und vermittelt Inhalte – ist also als Mittel einer kulturellen Sprache zur Übermittlung von Ansprüchen, Bedeutungen, Mitteilungen und Lebensmodellen maßgebend. Form ist ausser als Zufallsform,  kein Produkt von Prozessen,  sondern immer Ausdruck einer Idee. 

Selbstverständlich

Selbstverständlichkeit setzt Lesbarkeit und Konzeption voraus. Gute Architektur wirkt immer mühelos und selbstverständlich. Wir streben daher nach einer Architektur, die so einfach und kohärent und unvermeidlich erscheint,  dass es keine rationale Alternative gibt.

Einfachheit ist hierbei nicht mit Abstraktion der Form gleichzusetzen. Einfaches ist in Relation zu etwas Komplexerem auf das Wesentliche reduziert. Einfachheit ist nichts Banales, sondern selbstverständliche Kategorie für einen Gegenstand, der möglichst große Vielfalt und Freiheit in der Benutzung ermöglichen soll. Größtmögliche Offenheit für viele Fälle - nicht nur für den spezialisierten Einzelfall - werden durch die einfachen und selbstverständlichen Dinge erst ermöglicht. Einfache Gegenstände ermöglichen eine Aneignung und spielerische Zweckentfremdung, sie sind für den einen spezifischen Gebrauch so gut wie für unterschiedliche andere Nutzung bestimmbar und damit im besten Sinne Spielzeuge.

Ortsbezogen

Eine der wesentlichen Aufgaben der Architektur ist die Umsetzung und Sichtbarmachung von Ideen, Gedanken und Konzepten in gebaute Realität. Nicht weniger bedeutungsvolle Voraussetzung hierfür ist die Überhöhung und Verwandlung des Ortes.

Ist es doch der Ort, von der die Architektur ein nicht trennbarer Teil ist, durch die sie neue Interpretationen erfährt, und durch die sie ein neues Bewußtsein vorher nicht vorhandener Erfahrungen vermittelt.

Architektur ist also nicht beliebig versetzbar, für irgendeinen neutralen Ort gemacht, sondern sie hat einen bestimmten Platz, der unverrückbar ist, und in den sie eingeschrieben ist, mit dem zusammen sie erlebt wird.

Die Architektur des Ortes ist gleichzeitig aber auch eine Intensivierung, eine Verdeutlichung und eine Bezeichnung des Ortes, an dem sie steht.

Angemessen

In guter Architektur verwirklichen sich komplexe Verknüpfungs-Zusammenhänge. Ein Architekt muss aus einem Bündel unterschiedlichster Anforderungen eine funktionierende Struktur generieren, der alle relevanten Aspekte und Anforderungen eingeschrieben sind. Wichtigster Teil der Entwurfsarbeit ist die Herstellung richtiger Verknüpfungen, passender Beziehungen vormals unverbundener Einzelteile.

Im Ausgleich zwischen äusseren Rahmenbedingungen einerseits und der inneren Logik des Gebäudes andererseits, geht es um die Schaffung von Stimmigkeit in einer einheitlichen Gestaltqualität.

Sinnlich

Unsere Architektur lebt nicht nur von der Hegemonie des Sehens und wird keineswegs lediglich zur vereinfachten medialen Konsumierbarkeit oder gar Fotografierbarkeit für das  technisch hochgerüstete Auge optimiert.  

Sie lebt von einer sehr präzise formulierten Körperlichkeit auf der Basis von nur wenigen sorgfältig durchgearbeiteten Details. Somit ist sie sinnlich, nahezu körperlich erfahrbar und steht in ihrer prägnanten Körperlichkeit in einem gleichsam osmotischen Verhältnis zum betrachtendem Selbst. Diese Architektur der wenigen Details zielt auf das simultane, besondere und großartige Zusammenspiel der Sinnes-Erlebnisse im gebauten Raum.

Hierbei geht es uns um die präzise Formulierung nicht nur visueller, sondern auch taktiler, olfaktorischer und akustischer Qualitäten, zur Komposition einer umfassenden, atmosphärischen - einer architektonischen Authentizität - jenseits des bloß sichtbaren..