Wettbewerb 3. Preis Besuchszentrum Gedenkort Friedhof der Märzgefallenen 2023
LEITGEDANKE, KONSTRUKTIVES UND STÄDTEBAULICHES KONZEPT
Das neue Besuchszentrum für den Friedhof der Märzgefallenen fügt sich in seiner klaren Kubatur zurückhaltend und schweigsam in das bestehende Denkmal - Ensemble ein. In seiner Einfachheit und seinem Abstraktionsgrad erscheint das Gebäude weniger als „Haus“, vielmehr als „begehbare Skulptur“ im Landschaftspark. Der visuelle Reiz des Entwurfes entsteht aus diesem Spannungsverhältnis zwischen Abstraktion und Natur.
Der Mauerverlauf an der Schnittstelle zwischen Gartendenkmal im Westen und Baudenkmal im Osten wird zum Leitgedanken des Gebäudeentwurfes: die Öffnung in der Mauer wird gleichsam zur Öffnung im Gebäudevolumen. Genau genommen reicht durch die buchstäbliche (gleichsam inversive) Einstülpung der begehbaren Außenraum kontinuierlich in den offenen Innenraum des Hauses. Der Außenraum wird so zum Innenraum und der Innenraum in seiner reziproken Verschränkung zum Außenraum. Die Grenze verschwimmt!
Gleichsam als Reminizenz an unsere offene Gesellschaft entsteht in der Überwindung der Grenze ein Transferraum in das Offene einer frei bespielbaren neutralen Fläche, zentrisch zwischen den dienenden Kubaturen.
Das Thema der Begrenzung (Barrikadenkämpfer) und der Öffnung (Freiheitskämpfer) wird so zum architektonischen Motiv, ohne dies formal in den Vordergrund zu spielen. Das obere Plateau des Friedrichhains wird entlang der Mauer in das Gebäude geführt und eröffnet dort den Blick auf das weitläufige Vivantes-Klinikum. Als zentraler Ort des Gedenkens entsteht hier eine „offene Plaza oder Loggia“ mit vielfältigen Blickbeziehungen und Verknüpfungszusammenhängen, aber auch ein Ort der Ruhe und Einkehr.
Der Übergang zum öffentlichen Raum erfolgt schwellenlos und mit größtmöglicher Transparenz. Optional ermöglichen Holz-Schiebetüren das vollständige Öffnen zur Nutzung als Guckkasten- oder Freilichtbühne. Eine platzähnliche Situation vor dem Gebäude ergänzt das Raumangebot für Events- und Ausstellungen im Freien unter schattenspendenden Bäumen.
Die Kubatur des Gebäudes lebt vom Kontrast zwischen den großen Fensteröffnungen und den geschlossenen Wandanteilen. Durch eine Zonierung in „dienende“ und „bediente“ Räume werden massive, raumhaltige „Eckpfeiler“ ausgebildet, die dem Körper seine Ruhe und Massivität verleihen. Die Zwischenräume werden stützenfrei als flexibel - aneigenbare Zonen ausgebildet. Durch den hohen Abstraktionsgrad in der Konstruktion und der präzisen Detaillierung entsteht ein skulpturaler Baukörper mit hoher Strahlkraft, sowohl in Richtung Vivantes-Klinikum als auch zum Friedrichshain.
Das aus der Konstruktion ableitbare Gestaltprinzip ergibt sich aus den Prinzipien des Filigranbaus als selbstläufige Logik im Fügen von linearen Bauteilen - also dem Zimmermannswerk einerseits und andererseits aus den Prinzipien des Massivbaus, also der Logik im gestaltbildenden Prozess der Stereotomie mit seiner flächenhaften Ausbildung von Wand und Decke mit den Mitteln des Steinschnittes.
Der skulpturale, sehr reduzierte Charakter des Hauses wird hierbei getragen durch den Dialog zwischen einer stereotomen Monolithik seiner scharfgeschnittenen räumlichen Aushölungen der Betonbaukörper einerseits, und den permanentesten, archaischen Prinzipien der Tektonik in der Ausbildung einer aus Balken gefügten Holz-Deckenkonstruktion im Zwischenraum zwischen den Baumassen, andererseits.
Der Beton wird über das Zimmermannswerk der Holzschalung geschaffen und diese bildet ihre Prinzipien mittelbar in einer nahezu fugenlosen Brettschalung der Betonoberfläche ab. Diese selbe Schalung soll wiederverwendet werden und entfaltet hierbei in einem Widerspiegelungsverhältnis der (verinnerlichten) Fügeprinzipien ihr prosaisches Potential durch die zwangsläufig sichtbaren Spuren ihrer ursprünglichen Verwendung.
Durch den natürlichen Versprung in der Topographie wird ein Sockel ausgebildet, der das Besuchszentrum feinausdifferenziert abgrenzt vom benachbarten Vivantes-Klinikum. Die Adressbildung und Zugehörigkeit des Gebäudes ist klar zum Friedrichshain orientiert. Dennoch öffnet sich das Gebäude auch zum Vivantes-Klinikum und weckt dort Neugierde bei den Passanten.
Bauherr: Land Berlin I BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH
Architekt: Moeller Soydan Architektur I BSL-Architekten
Statik: ZRS Ingenieure GmbH
Landschaft: A8 Landschaftsarchitekten
Standort: Gededenkort Friedhof der Märzgefallenen
Ernst-Zinna-Weg 1, 10249 Berlin