Neubau Hauptzollamt Hamburg Wettbewerb 2024 Anerkennung
RUHE UND EXPRESSIVITÄT
Für diesen spezifischen Ort in Hamburg zu bauen, zwischen denkmalgeschützten alten Hafenspeichern und den Neubauten der HafenCity, erfordert das richtige Verhältnis von Zurückhaltung und Expressivität. Dass diese beiden Merkmale keine Gegensätze bilden müssen, bezeugen unzählige Bauten des norddeutschen Backstein- expressionismus. Zurückhaltung und Ruhe im städtischen und generischen Sinne, Ausdruck und Skulpturalität im spezifischen Sinne – das sind die zwei Pole, zwischen denen sich unser Entwurf für den Neubau des Hauptzollamtes in Hamburg aufspannt.
BLOCK – TRANSFORMATION
Auf Grundlage der vorgegebenen Regularien der Blockrandbebauung entwickeln wir eine plastische Gebäudefigur, die unterschiedliche stadträumliche Bezüge schafft. Die klassische „Blockkante“ wird neu interpretiert und dadurch aufgelockert. Es entsteht ein skulpturaler Bau, der sich harmonisch in die Textur der Stadt einfügt. Der Straßenraum wird nicht durch eine bloße „Wand“ definiert, sondern erhält eine besondere Qualität durch die spannungsvolle Abfolge von Aushöhlungen, von Vor- und Rücksprüngen. Der öffentliche Raum diffundiert in die Tiefe des Gebäudes, lädt den Besucher förmlich ein. Die Büroflächen der Obergeschosse scheinen darüber zu schweben. Konkave räumliche und konvexe körperliche Formen treten in ein Wechselverhältnis, bei dem das vermittelnde Element die gemeinsame Grenze ist: die Oberfläche eines fein gefügten und texturierten Mauerwerks. Ganz im Sinne Fritz Schumachers geht es uns in unserem Entwurf um die Kunst doppelter Raumgestaltung durch Körpergestaltung. So entsteht ein Zollhaus, das in seiner Architektur seinen Inhalt reflektiert. Als Inbegriff eines Hauses an der Grenze steht es für die Schnittstelle zwischen den Welten, zwischen außen und innen, öffentlich und privat, Stadt und Land, offen und geschlossen sowie zwischen Körper und Raum und nicht zuletzt zwischen Amt und Bürger.
STADTRÄUMLICHE EINBINDUNG
An den Kreuzungspunkten zu Shanghaibrücke und Ericusbrücke bilden plastische Überhänge städtebauliche Akzente. Die orthogonale Gebäudestruktur orientiert sich an der Shanghaiallee und passt sich entlang der nördlichen Fassadenflucht bis zum Lohsepark durch mehrfache Versprünge dem Straßenraum an. An den Engstellen des Gehweges springt die Gebäudekubatur auf einer Höhe von vier Metern zurück und betont die skulpturale Auskragung des Baukörpers. Das Staffelgeschoss wird vom Hauptbaukörper abgesetzt und tritt als eigenständiges Volumen in den Hintergrund.
HAUPTZOLLAMT
Das Hauptzollamt erhält mit dem Neubau eine angemessene und zeitgemäße Adresse, die auch die Werte einer transparenten Demokratie widerspiegelt. Herzstück wird eine zweigeschossige Eingangs- und Schalterhalle, die das Zollamt nach außen hin repräsentiert. Die Arbeitsprozesse des Zollamts sind über eine glasüberdachte Paket- und Abfertigungshalle vom öffentlichen Bereich aus einsehbar. Ein großes Schaufenster an der Shanghaiallee schafft auch von außen eine direkte visuelle Verbindung.
LASTEN UND TRAGEN
Die Architektur orientiert sich am Motiv einer geschossweisen Stapelung und versinnbildlicht hierdurch auch die dicht gepackten Waren-Stapel der Hamburger Hafenwelt. Thematisch eröffnen sich Assoziationsräume von Stapelrecht bis Zollwarenstapel, von historischer Schichtung bis zu sorgfältig geschichteten Ziegeln und Holz, und nicht zuletzt bis hin zu Lagerung und Überlagerung. Das Thema des „Lastens und Tragens“ ist sowohl in der architektonischen Gesamtfigur als auch im Fassaden- detail ablesbar. Durch geschossweise versetzt, jeweils übereinander umn90 Grad gedreht angeordnete Fassadenstützen mit Rechteckquerschnitt ergibt sich eine Selbstähnlichkeit mit der Gesamtfigur über das Motiv einer tektonischen Schichtung. Der Vierendeelträger als gewissermaßen großformatig durchfensterte Wand steht im komplementären Kontrast zu einer monotaktischen Reihung linearer Einzelstützen. Dadurch ergibt sich subtil eine Lesbarkeit, die zwischen Filigranbau und massiver Lochfassadenwand changiert. Die Plastizität des Baukörpers wird betont durch eine homogene, monolithisch erstellte Konstruktion aus rötlichem Ziegelstein.
MATERIALITÄT – FÜGUNG
Die Architektur ist solide und robust, ohne formale Attitüden, geprägt von einer reduzierten Materialauswahl und wenigen, präzise formuierten Details. Die Ziegelvorsatzschale aus rötlichem Backstein wird nach den klassischen Fügeprinzipien von Mauerwerk monolithisch geschichtet und im Kreuzverband gemauert. Zur Betonung der Tektonik werden die horizontalen Balken der Geschossdecken als Reminiszenz an einen scheitrechten Sturz im stehenden Format mit vertikalen Fugen gemauert. Stützen und Pfeiler hingegen werden im liegenden Format geschichtet. Hierdurch ergibt sich ein spannungsvolles Wechselspiel in der Fassadengliederung. Die Fensterebene wird tief in die Laibung gesetzt und nimmt sich optisch zurück. Die matten Aluminiumprofile der Fenster greifen die ortsübliche Verwendung von Metalloberflächen im Farbspektrum zwischen Kupfer und Bronze auf und nähern sich so farblich dem Ziegel an. Ein perforiertes Aluminiumblech kaschiert optisch den Lüftungsflügel und dient als Absturzsicherung sowie zum Schutz bei Nachtauskühlung. Die Verkleidung der Holzkonstruktion der Hoffassaden und des Staffelgeschosses erfolgt im gleichen Farbklang ebenfalls in beschichtetem Aluminium. Als Variation des tektonischen Motivs der Hauptfassade verwenden wir hier ein fein kanneliertes Trapezblech in vertikaler und horizontaler Anordnung. Die Pflanztröge vor den Fenstern variieren das Bild der geschossweise rhythmisierten Vor- und Rücksprünge der Pfeiler in der Hauptfassade. Das Staffelgeschoss wird allseitig und ohne offensichtliche Reliefierung mit perforiertem Trapezblech verkleidet, um eine möglichst unaufgeregte und zurückhaltende Fernwirkung zu erzielen. Erst auf den zweiten Blick ergibt sich durch die vor dem Massivbau angeordnete komplett perforierte Hülle eine subtile Tiefenwirkung der förmlich in die Tiefe lesbaren Wandöffnungen. Die Deckenkonstruktion vereint die Vorteile des Holzbaus und des Massivbaus. Die gewählte Holzbetonverbundkonstruktion kombiniert schlanke Betonfertigteildecken mit einer Holzbalkenkonstruktion zu einer hybriden Rippendecke. Die Betondecken optimieren sowohl den Brandschutz, als auch die Statik und die Bauteilaktivierung (Nachtaus-kühlung). Im Hohlraum zwischen den Holzbalken kann hingegen die Haustechnik leicht reversibel geführt werden. Die Bodenbeläge sind als robuster geschliffener Estrich konzipiert. Im Bereich der Schalter- und Abfertigungshalle kommt ein Hochkant- lamellen-/Industrieparkett zum Einsatz. Die unverkleidete Massivholzkonstruktion verleiht der glasüberdachten Halle einen industriellen Charakter.
Auslober: BIMA Bundesanstalt für Immobilien-
aufgaben / Bundesbauabteilung Hamburg
Architekt: Moeller Soydan Architektur
Statik: Pichler Ingenieure GmbH
TGA: HDH Ingenieure
Landschaft: A8 Atelier 8 Berlin
Brandschutz: KLW-Ingenieure GmbH
Bauphysik : Müller BBM
Standort: Shanghaiallee / Koreastraße, Hamburg