Wettbewerb 3. Preis Schickhardt-Gemeinschaftsschule Stuttgart 2024
STÄDTEBAU
Der Ergänzungsneubau für die Gemeinschaftsschule wird entlang der Heusteigstraße in Längsausrichtung konzipiert, analog der Ausrichtung der bestehenden Heusteigschule. Durch die präzise räumliche Setzung im Grund- und Aufriss wird zwischen den zwei Baukörpern ein klar definierter Raum aufgespannt, der als gemeinsam genutzter Außenraum gestaltet wird. Die Verbindung zwischen den Schulbauten erfolgt schwellenfrei und in direkter Sichtbeziehung. Aufgrund des leicht erhöhten Erdgeschossniveaus bildet sich zum Straßenraum ein Plateau aus, welches die Gebäude optisch miteinander verbindet. Der Neubau nimmt sich gegenüber dem denkmalgeschütztem Bestandsbau zurück und schafft mit ihm dennoch ein Gebäudeensemble. Als solitärer Bau steht er für eine eigenständige Adressbildung und bildet den Auftakt am Kreuzungspunkt an der Cottastraße.
MATERIALITÄT – FÜGUNG
Die Konstruktion erfolgt in einer Hybridbauweise aus Holz und Recycling-Beton, wobei der oberirdische Baukörper überwiegend aus Holz erstellt wird. Die Leichtigkeit des Baus wird durch eine filigrane Struktur aus feingliedrigen Kanthölzern aus Lärche erreicht. Das hölzerne „Gewand“ wird in horizontal und vertikal überlagerten Schichten aufgebaut und macht die innere Struktur des Gebäudes nach außen hin ablesbar. Lüftungsflügel und technische Installationen wie Sonnenschutzmarkisen, Entwässerungsleitungen etc. liegen verborgen hinter der vorgelagerten und hinterlüfteten Holzschicht.
NUTZUNGSKONEZPT
Der Grundriss basiert auf einem klaren, symmetrischen Aufbau mit zentralem Erschließungskern an der Ostfassade. Die Orientierung um ein lichtdurchflutetes Atrium spielt eine zentrale Rolle. Zwei symmetrisch gespiegelte Treppenräume bieten vielfältige Blickbezüge: sowohl zueinander, zum grünen Außenraum im Osten, als auch zur Clustermitte. Der natürliche Tageslichtverlauf wird auch im Inneren des Gebäudes erlebbar, auch und besonders im Untergeschoss im Bereich der Sporthalle. Im Erdgeschoss dominiert ein überhoher longitudinaler Raum, der sich allseitig zum öffentlichen Straßenraum hin orientiert. Der Raum ist mit mobilen Schiebewänden teilbar und multifunktional bespielbar. Das zentrale Atrium kann hier als Bühne für Veranstaltungen oder als Bistro mit Teeküche im alltäglichen Gebrauch dienen. Die Klassenräume, Lehrmittelräume, Lehrerstützpunkte sind offen um die Clustermitte herum organisiert und durch Schiebeelemente abtrennbar. Das Raumangebot wird durch ein „grünes Klassenzimmer“ auf dem Dachgeschoss ergänzt. Dieses kann auch als Pausenraum oder/und als botanischer Garten genutzt werden.
NEUE LERN- UND LEHRKULTUR
Das neue Schulhaus ermöglicht einen niederschwelligen Wechsel zwischen Orten und Phasen der Konzentration sowie der Regeneration und Inspiration. Dies gelingt durch ein fein ausdifferenziertes Angebot an Aufenthalts- und Erholungsbereichen sowohl innerhalb einzelner Funktionsbereiche als auch am Schulstandort einschließlich der Aussenbereiche.
Die wachsende Bedeutung des informellen Lernens im Rahmen heute zunehmend kompetenzorientierter Lernprozesse zum Erwerb von Methodenkompetenz , bei denen Aktivitäten, Emotionen, Kognitionen und Situationen auf vielfältige Weise miteinander verknüpft sind, erfordert Räume die dem breiten Spektrum an zeitgemäßen Lehr- und Lernmethoden Rechnung tragen und einen unkomplizierten Wechsel zwischen Instruktion, Einzelarbeit Gruppenarbeit, Präsentation von Lernergebnissen und Reflexion von Lernprozessen ermöglichen.
Hierfür stellt der Entwurf das räumliche Konzept einer natürlich belichteten frei bespielbaren und vielfältig adaptierbaren räumlichen Mitte im Zentrum des Hauses zur Verfügung. Als zentraler Ort der Belichtung und Orientierung fungiert ein über alle Geschosse durchlaufender Atrium-Hof, welcher durch die beiden notwendigen Treppenhäuser flankiert wird und direkt an die Clustermitte angrenzt.
Hier gruppieren sich unterschiedliche Raumbereiche mit einem vielschichtigen Set an Arbeits- Besprechungs- und Erholungsräumen sowie Räume zu Integration anderer Bildungsträger, um eine gemeinsame pädagogische Mitte, zu der gute Sichtbeziehungen in die konzentrisch angrenzenden räumlichen Angebote wie Fachklassenräume, Lehrerstützpunkt und Lernmittelräume bestehen.
INKLUSION
Räumliche Ressourcen für individuelle Differenzierungs- Rückzugsmöglichkeiten für Lernarrangements in Kleingruppen für Beratungs- und Betreuungsangebote für sozialpädagogisch, psychologisch und medizinisch geschultes Personal werden in der westlich, direkt entlang der Fassade angeordneten Raumschicht zur Verfügung gestellt. Die hier eingestellten, von der Fassade abgelösten Kubaturen und Stau- und Regalflächen rhythmisieren das Raumangebot und ermöglichen ein breites Spektrum von Aneignungsmöglichkeiten. Die Schiebetüren in den Trennwandbereichen zwischen den Räumen gewährleistet, je nach Auslastung und Belegung alternative, im besten Sinne, „redundante“ Erschließungs-möglichkeiten und „Zirkulationsoptionen“, sollten einzelne Räume besetzt sein.
Die Lernumgebung ist also variabel konzipiert und wird selbstverständlich zur Gewährleistung der Barrierefreiheit möglichst einfach, intuitiv und unter Berücksichtigung unterschiedlich sensorischer Fähigkeiten nutzbar sein. Das Mehr-Sinne-Prinzip erfordert hierbei die Wahrnehmbarkeit aller relevanten Informationen zur Orientierung mindestens über zwei Sinne.
ENERGIEKONZEPT – NACHHALTIGKEIT - REGENWASSER
Die robuste Grundstruktur des Gebäudes soll eine möglichst lange Nutzungsdauer ermöglichen. Es werden ausschließlich natürliche Materialien aus der Region eingesetzt. Es erfolgt eine klare Systemtrennung von Rohbau und Ausbau. Die Befestigung aller baukonstruktiven Einbauten erfolgt demontierbar mittels verdeckt ausgeführter Schraubverbindungen. Alle Baustoffe können sortenrein voneinander getrennt und wiederverwendet werden. Verbundstoffe werden nach Möglichkeit vermieden. Die repetitive Struktur der Fassade und der Einsatz von vorfabrizierten, modularen Decken- und Wandsystemen garantieren eine optimierte wirtschaftliche Bauweise. Auf der Dachfläche sind PV-Anlagen optisch in die Architektur integriert um den Eigenbedarf an Strom zu decken. Die Installierbarkeit der technischen Gebäudeausrüstung ist einfach gehalten und erfolgt losgelöst von der Gebäudearchitektur.
Die zurückgesetzte Fassadenebene im Dachgeschoss sowie die Dachflächen werden intensiv begrünt und begünstigen das Mikroklima.
AUSSENANLAGEN
Der Pausenhof versteht sich als adaptierbares Plateau für die sich wandelnden pädagogischen Bedürfnisse und die stets bunten Bilder des Gebrauches. Er dient als Visitenkarte der Schickhard-Schule und fungiert als Schnittstelle zwischen Alt- und Neubau, sowohl als städtischer Eingangsbereich als auch als Interaktionsfläche.
So soll ein Platz für Versammlungen, Begegnungen, Bewegungen aber auch ein Ort der Ruhe und Erholung entstehen.
Als Außenfläche kann diese Platzfläche außerhalb der Schulzeiten als städtische Freiraumressource nutzbar gemacht werden.
Als Erholungsort an der Schnittstelle zur Stadt wird ein Spektrum von Sitz- und Erholungs- und möglichkeiten für Bewegung und Ruhe, Begegnung und Rückzug aber auch Essen und Trinken und Kontemplation angeboten.
Bauherr: Landeshauptstadt Stuttgart
Architekt: Moeller Soydan Architektur I BSL-Architekten
Statik: Pichler Ingenieure
Landschaft: Atelier 8 Berlin Landschaftsarchitekten
Standort: Heusteigstrasse 97, 70180 Stuttgart