Berufsschulzentrum Schwerin

DAS QUADRAT ALS SYMBOL UND NEUER BEZUGSPUNKT

In einer Welt, die von Vielfalt und Heterogenität geprägt ist, und sich dem steten Wettstreit sich wandelnder Moden mit ihrem immensen Verbrauch von Neuigkeitswerten im beschleunigten Karussel der Sensationen unterwirft, kann das unspektakuläre, nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes, hölzerne Quadrat als zeichenhafte, selbstreferenzielle Grundfigur eine besondere Bedeutung erlangen. Jenseits von auswechselbarem Stilzitat und modischem Affekt oder dem zwanghaften Reflex originell sein zu müssen, ermöglicht der Rückgriff auf diese Grundfigur die Behauptung eines erinnerbaren - weil wieder erkennbaren - Ortes. Inmitten des heterogenen Umfelds mit seiner etwas uninspirierten Tristesse entsteht ein neuer Bezugspunkt und sorgt mit seiner klaren Geometrie und hier am Ort besonderen Materialität für Ruhe und Ordnung. Gleichsam als Ort der architektonischen und städtebaulichen Gravitation ermöglicht eine solche Setzung die Formulierung eines anderen Ortes, der klar umrissen um ein städtebaulich-architektonische Thema gebaut ist und als Ausgangspunkt für eine weitere positive Entwicklung gelten kann. So mag das Quadrat, ganz nach Rudolf Schwarz, eine jener Baufiguren sein, die ihren Sinn in sich tragen und das Bauen offen halten für die Bewegungen des Lebens. Es ermöglicht neben der Bezeichnung des Ortes eine Wiedererkennbarkeit des Ortes, nicht nur für die Orientierung und Identifikation, sondern vielmehr für die Weiterentwicklung und thematische Qualifizierung des Ortes im Sinne einer architektonischen Akkupunktur welche als positives Initial für eine weitere, auch künftige bauliche Interventionen Halt gibt. In jedem Falle geht es, mit dem vorliegendem Konzept, um Signifikanz und Prägnanz der entwurflichen Intervention. Lesbarkeit über das Mittel des architektonischen Zeichens ermöglicht, hier ganz wesentlich, Identifikation und Orientierung im Raum und vor allem die Entwicklung eines Zugehörigkeitsgefühls zu diesem Raum. Die Form des Quadrates ist in diesem Zusammenhang gewissermaßen das sprachliche Mittel kultureller Bewußtheit. Form stiftet Sinn und vermittelt Inhalte - ist also als Mittel zur Übermittlung von Ansprüchen, Bedeutungen, Mitteilungen und Lebensmodellen maßgebend. Form ist in unsrem Verständnis immer Ausdruck einer Idee. Es geht uns hier um die künstlerische, geistige und bildhafte Umsetzung dieser Wirklichkeit in eine thematisierte, poetisierte Realität. Diese Umsetzung ist realitätsbezogen und nicht abstrakt, existentiell und nicht aphoristisch, ontologisch, seinshaft und nicht anekdotisch.

EIN ANDERER ORT, EINE HETEROTOPIE: DAS HÖLZERNE QUADRAT

Die Idee des anderen Ortes als strategisches Konzept zur Aufwertung des Ortes bietet sich innerhalb der vorhanden, eher unspezifischen Siedlungsstruktur an. Im Sinne einer Displacement Strategie soll dieser injizierte ”andere Ort” als Keimzelle oder auch Kristallisationspunkt des Städtischen, sowohl in seiner räumlichen und architektonischen Disposition, als auch über seine Funktion wirken und gleichsam im Sinne Foucaults als ”Widerlager der Gesellschaft“ seine Energie zurückstrahlen, um so Initial für weitreichende, über das jeweilige Projekt hinausgehende, positive Veränderungen zu sein. Als Orte primärer Bedeutung an strategischen Punkten in die vorhandene Siedlungsstruktur implantiert, gelangen sie ins Bewußtsein der städtischen Öffentlichkeit und sollen auf ihr Umfeld identitätsstiftend wirken. Gerade durch ihre architektonische Bedeutung, ihre Andersartigkeit und Begrenztheit wirken sie im gesteckten Rahmen gestaltbildend und leiten eine Transformation vom baulichen Agglomerat zur Stadt ein.

GRENZBILDUNG: TRENNEN UND VERBINDEN IM RANDBEREICH DER INTERVENTION

Eine verdeutlichte Grenze verstärkt die Wahrnehmbarkeit der Unterschiede und gliedert die Struktur in überschaubare und lesbare Einheiten, die eine Unterscheidung von ”Innen“ und ”Außen“ ermöglicht. Grenzbildung impliziert darüber hinaus eine doppelte Wirkung, indem zwei Bereiche einerseits durch bestimmte Gestaltungsmittel wahrnehmbar getrennt und andererseits durch die Schaffung von definierten Übergängen miteinander verbunden werden. Ein derartiger Rand ist die raum- oderflächenhaltige Spielart der Grenze und entsteht immer dann, wenn die Maßnahmen eine Schnittmenge aus Elementen beider Bereiche bilden. Indem der Rand räumlich in die Tiefe wirkt und als Schnittmenge Eigenschaften beider angrenzenden Bereiche beinhaltet, ist er als unscharfe Grenze mehrdeutig lesbar. Diese spezielle doppeldeutige Randqualität weist nicht nur der westlich vorgelagerte Campusplatz, sondern sämtliche der vier Raumseiten in spezifischen Ausprägungen auf: So ergibt sich hinter einem Grünschleier an der S-Bahntrasse im Norden ein in mehreren räumlichen Schichtungen aus Trasse, Grünschleier, Radweg und Vorplatz gebildeter Zugangsbereich als wichtiges Entrée des ÖPNV auf den Schulcampus. Im Osten ermöglicht ein Parken unter Bäumen mit einer Neupflanzung schattenspendender Gleditschien eine Park&Ride- Anbindung des privaten Nahverkehrs sowohl an die S-Bahn als auch an den bereits im Bestand vorhandenen, großgewachsenen Baumbestand an der durchwegten Böschung zur Plater Straße. Die südliche Tangente wird qualifiziert durch die Nutzung als Notfallsimulations-bereich, wodurch ein vielbeachteter Lernort für die Methoden und Anwendungstechniken im Umgang mit Krankenwagen und Rettungsmitteln etabliert wird. Von hier aus erfolgt außerdem die logistische Andienung des Gebäudes zur Anlieferung und Entsorgung und nicht zuletzt die Erschließung mit dem Fahrrad aber auch mit dem Auto in die angrenzende Tiefgarage im UG. Ein Fahrradraum mit schwellenfreiem Zugang bietet bis zu 148 überdachte Stellplätze.

DER CAMPUSPARK ALS VERBINDUNG ZWISCHEN WOHNNUTZUNG UND SCHULE

Die freiraumplanerische Hauptintervention wird gebildet durch den zwi-schen Wohnnutzung und Schule angeordneten Campuspark. Hier ermöglicht die kompakte Anordnung des Baukörpers, im Osten des zur Verfügung stehenden Grundstückes, eine großzügige Freifläche zwischen dem neuen Wohnquartier im Westen und der neuen Bildungseinrichtung im Osten. So wird künftig ein Campuspark zwischen den unterschiedlichen Nutzungen vermitteln und ein positives Miteinander und Gemeinschaftsgefühl fördern. Der Park mit Spiel- und Liegewiese bietet nicht nur Raum für Freizeitaktivitäten, sondern auch eine Möglichkeit für die Gemeinschaft, sich zu treffen, zu spielen und zu interagieren. So werden eine Reihe von Sportanlagen von Tischtennisplatten über Beachvolleyballfelder bis hin zu Fitnessgeräten in freier Streuung auf dem Rasenteppich platziert. Großformatige Beton-Platten beziehen sich in Farbgebung, Materialität und Maßstab auf das im Sockel des Schulhauses vorhandene Motiv und rahmen sowohl das Gebäude als auch die Rasenteppichfläche des Platzes, der damit, allseitig erreichbar, in Besitz genommen werden kann und als unscharfe, flächenhaltige Grenze mehrdeutig interpretiert und genutzt werden kann. Dornenlose Gleditschien und weißblühende Zierkirschen werfen lichte Schatten auf die Flächen und bieten insbesondere im Frühjahr und Herbst einen unverwechselbaren Eindruck. Die 50m-Laufbahn (Gesamtlänge mit Startzone und Auslaufbereich 70m), befindet sich an der Nordseite des Bildungszentrums. Die Weitsprunganlage ist innerhalb der Rasenfläche platziert. Dieser Campus versteht sich demnach als adaptierbares Feld für die sich wandelnden pädagogischen Bedürfnisse und die stets bunten Bilder des Gebrauches. Er dient als Visitenkarte der Schule und fungiert als Schnittstelle zwischen Wohnstadt und Neubau, sowohl als einer der wichtigen städtischen Eingangsbereiche, als auch als Interaktionsfläche. Hier soll also ein Platz für Versammlungen, Begegnungen, Bewegungen aber auch ein Ort der Ruhe und Erholung entstehen. Als Außenfläche kann diese Platzfläche außerhalb der Schulzeiten als städtische Freiraumressource nutzbar gemacht werden.

EINGÄNGE UND VERNETZUNG MIT DEM UMLIEGENDEN STADTRAUM

Eingänge zu allen Seiten des Gebäudes schaffen - im Einklang mit dem Freiraum - eine schwellenfreie, offene und einladende Atmosphäre und vernetzen den Gebäudekomplex mit dem umliegenden Stadtraum. Dies fördert auch den Austausch und die Interaktion zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

DER HAUPTEINGANG ALS VERLÄNGERUNG DES STÄDTISCHEN BOULEVARDS

In Verlängerung der Achse vom Berliner Platz wird innerhalb des Campusplatzes ein eingangsbreiter halbbefestigter Vorplatz errichtet, der den Auftakt zum neuen Bildungscampus bildet. Bezugnehmend auf den Eingangsbereich verlaufen Streifen aus Betonplatten im Grün und ergeben im Zusammenhang mit Bäumen und Sitzmöglichkeiten ein prägnantes Bild. Die Orientierung und Adressbildung mit dem Haupteingang in Richtung Berliner Platz wird hierdurch klar ersichtlich. Das Erdgeschoss ist in Verlängerung der im Außenraum angelegten Durchwegung durch-zogen von einem Geflecht aus Straßen, Plätzen und Höfen. Diese urbanen Strukturen bieten Raum für vielfältige Nutzungen und Aktivitäten, von öffentlichen Veranstaltungen und kulturellen Aktivitäten bis hin zu informellen Treffen und spontanen Begegnungen. So entsteht in hochkonzentrierter Form ein städtisches, rhizomartiges Geflecht einer Stadt en miniature.

POLYZENTRIK UND NUTZUNGSÜBERLAGERUNGEN

Raum in der Architektur wird gewohnt durch seine Begrenzungen, Wände und Umfriedungen definiert und von den Begrenzungen her betrachtet, als dasjenige, welches durch Grenzen aus dem kontinuierlichen Umraum ausgegliedert ist und von dort seine Bedeutung erhält. Daraus ergibt sich in unserem Falle, in dichter städtischer, gleichsam urbaner Überlagerung, die Idee einer polyzentrischen Ordnung des Raumgefüges. Neben der Identifizierbarkeit der einzelnen fachspezifischen „Quartiere“ mit ihren jeweils direkt zugeordneten „privaten“ Außenbereichen wirddas Gefüge durch die übergeordnete Figur der quadratischen Gesamtfigur zu einer erinnerbaren Einheit. Wie in einer Stadt entsteht hier „Urbanität“ über das Mittel der programmatischen Kollisionen und Nutzungsüberlagerungen mit einem im Resultat breiten Spektrum an vielfältigen Mehrfachnutzungen und diversen Kopplungsmöglichkeiten mit anderen Funktionen. Große zusammenhängende Flächen wie Dreifachsporthalle, Mensa und Aula- Bereiche und die Kombinierbare Freilufttheaterfläche mit Auditorium auf den Sitzstufen der Freitreppe bilden ein sehr vielfältiges, fein ausformuliertes, räumliches Konvolut verschiedener, sehr unterschiedlich adaptierbarer Flächen und Räume und Zwischenräume.¬¬

NEUE LERN- UND LEHRKULTUR: LERNOASEN

Das neue Schulhaus ermöglicht einen niederschwelligen Wechsel zwischen Orten und Phasen der Konzentration sowie der Regeneration und Inspiration. Dies gelingt durch ein ausdifferenziertes Angebot an Aufenthalts- und Erholungsbereichen sowohl innerhalb einzelner Funktionsbereiche als auch am Schulstandort einschließlich der umliegenden und eingeschriebenen Außenbereiche. Die wachsende Bedeutung des informellen Lernens im Rahmen heute zunehmend kompetenzorientierter Lernprozesse zum Erwerb von Methodenkompetenz , bei denen Aktivitäten, Emotionen, Kognitionen und Situationen auf vielfältige Weise miteinander verknüpft sind, erfordert Räume die dem breiten Spektrum an zeitgemäßen Lehr- und Lernmethoden Rechnung tragen und einen unkomplizierten Wechsel zwischen Instruktion, Einzelarbeit, Gruppenarbeit, Präsentation von Lernergebnissen und Reflexion von Lernprozessen ermöglichen. Hierfür stellt der Entwurf in seinen im Sockel untergebrachten öffentlichen Funktions-, Mensa-, Veranstaltungs- und Sportflächen das räumliche Konzept einer natürlich belichteten, frei bespielbaren und vielfältig adaptierbaren räumlichen Mitte im Zentrum der Anlage. Einen reichen Fundus an aneigenbaren Zwischenräumen in den Innen, Außen-, und Arkardenräumen bilden außerdem den adäquaten Rahmen für ein zeitgemäßes Lern- und Lehrkonzept.

DIE CLUSTERMITTE

Das Prinzip Flurschule wird weiterentwickelt und erweitert durch Orte des informellen Lernens. So entsteht eine Mischform aus dem notwendigen zu reihenden Bedarf an Klassen und Fachklassenräumen und einer modernen Clusterschule mit ihrer sprichwörtlichen Macht des Zwischenraumes. Jede der drei Fachabteilungen erhalten ihre eigene „Clustermitte“, d.h. einen internen Ort als Treffpunkt für multifunktionale Nutzungen. Diese befinden sich jeweils an den Innenecken des Quadrats, mit Sichtbezug und Austritt in den begrünten Innenhof. So gruppieren sich hier unterschiedliche Raumbereiche mit einem vielschichtigen Set an Arbeits- Besprechungs- und Erholungsräumen sowie, bei Bedarf, Räume zu Integration anderer Bildungsträger, um eine gemeinsame pädagogische Mitte, zu der gute Sichtbeziehungen in die direkt angrenzenden räumlichen Angebote wie Fachklassenräume, Lehrerstützpunkt und Lernmittelräume möglich sind.

SPORT ALS ZENTRALES ELEMENT

Wie in einer kleinen Stadt gibt es in den Quartiersmitten Orte die der ge-meinschaftlichen Nutzung und Identifikation dienen. Das integrierende Element der gesamten Anlage ist, neben dem Aula- und Mensabereich, die Dreifachsporthalle als gemeinsames Zentrum. Sport ist hier ein zentrales Element, das nicht nur die körperliche Gesundheit fördert, sondern auch soziale Bindungen stärkt, persönliches Wachstum ermöglicht und kulturelle Verbindungen schafft. In den Aneignungsmöglichkeiten dieser Sportflächen auch für andere, möglicherweise auch außerschulische kulturelle Veranstaltungen, liegt das Potential hier einen zentralen Ort des Hauses zu schaffen. Sportliches Engagement ist hierbei eine universelle Sprache, die Menschen jeden Alters, Geschlechts und Hintergrunds zusammenführt und einen positiven Einfluss auf das individuelle Leben sowie auf die Gesellschaft insgesamt hat. Aus diesem Grund werden die Sportflächen mit ihren auch anderweitig gegebenen Adaptionsmöglichkeiten auch als zentrales Element des Gebäudeentwurfes betrachtet und inmitten des Hofes angeordnet. Umlaufende verglaste Arkaden ermöglichen eine allseitige Einsehbarkeit dieser so wichtigen Begegnungsfläche auf Erdgeschossniveau. Die Sporthalle wird hierzu um ca. 3m im Boden versenkt und ist oberhalb der Dachfläche für Außensport direkt von den Fachabteilungen zugänglich. Die Pausen können so auf kurzem Wege aktiv genutzt werden. Für die außerschulisch, unabhängige Nutzbarkeit steht eine separate Treppenerschließung an der nördlichen Eingangssituation des Hauses zur Verfügung.

FOYER, AULA UND MENSA: MEHRFACHNUTZUNG UND KOPPLUNG MIT ANDEREN FUNKTIONEN

Neben den Sporträumen ist die Mensa oder das Bistro, vor allem während der Schulzeit, wie eine Markthalle mit vielfältigen Aneignungsmöglichkeiten ein Ort der Kommunikation, des Austausches aber auch der Entspannung. Dieser Essensbereich dient nicht nur der Versorgung mit Essen, sondern ist ein weiterer wichtiger „kultureller“ Mittelpunkt der Schule und neben der Sporthalle das zweite wichtige Zentrum der Schule. Gemeinsames Mittagessen, wie auch die informellen Treffen im Lauf des Tages haben eine wichtige kulturbildende Funktion und stärken das soziale Miteinander. Bistro und Schulküche sind deshalb nicht nur eine planerische Aufgabe, sondern die wesentliche Herausforderung der Schulentwicklung. Die Lage an der südlichen Erschließungsachse des Areals ermöglicht eine sehr direkte Anbindung der dienenden Ver- und Entsorgungsfunktionsräume an diese Versorgungsader. Gute blendfreie Lichtverhältnisse werden dort über Oberlichter gewährleistet, welche im darüber liegendem Hofbereich als Sitzinseln fungieren. Ein schwelle- nlos zugänglicher Außenbereich mit einer durch Sitzstufen bestückten Freitreppenanlage verbindet das Eingangsgeschoß mit dem nächsten Hofgeschoß im ersten Obergeschoss. Es entsteht ein gleichsam fliesen- des Raukontinuum in den Außenraum, dessen Grenze über Raumhoch verglaste, großflächig öffenbare Schiebetüren nahezu aufgelöst werden kann. Die Kopplung mit anderen Funktionen wird im Aula/Mensabau gewährleistet durch eine mittig angeordnete flexible Trennwandanla- ge, welche nicht nur akustisch, sondern auch räumlich eine Trennung in der Raummitte des Bereiches ermöglicht. Eine Mehrfachnutzbarkeit garantiert hier, dass die Räume nicht nur in den wenigen Stunden der Schulnutzung, sondern auch außerschulisch genutzt werden können. Dies gelingt vor allem durch die von den Hochbauten der Fachbereichs- Klassenhäusern unabhängigen Anordnung der Mensa und Foyerflächen.

HÖFE ALS AUSSENRAUM IM INNENRAUM
Ein Konvolut von Höfen, als Einverleibungen oder Einstülpungen unter- schiedlicher Außenräume mit ihren jeweils sehr spezifischen Qualitäten in den Hausinnenraum ist das prägendes Motiv der gemeinsamen So- ckelzone des Schulhauses. Hier versammeln sich die Fachbereiche der Hausgemeinschaft auf der gemeinsamen, als Flächenrelief ausgebilde- ten „Dachlandschaft“ des Erdgeschosses. Sollen Veranstaltungen etwas privater nur im eigenen Fachbereich unter freiem Himmel stattfinden, stehen die drei den Fachbereichen zugeordneten, arkadengesäumten Innenhöfe auf unterschiedlichen Niveaus zur Verfügung. In monotakti- scher Reihung des hölzernen Stabwerkes umschließen hier die Raum- grenzen in einer Art gleichmäßigen „Zuwendung“ den Besucher, ähnlich wie durch die Säulenreihen eines Peristyls. Diese Höfe werden qualifi- ziert durch unterschiedliche Themen von Obst- über Kräuter- bis hin zum baumbestandenen Klettergarten. Dort hält man sich draußen auf und kann bestimmte Tätigkeiten ins Freie verlegen, ohne das Haus wirklich zu verlassen. Nach Art einer räumlichen Inversion, lassen sich diese Höfe als ins Innere gestülpte Außenräume lesen, welche jeweils unterschied- liche Essenzen des Draußenseins gleichsam zelebrieren:
Der Kräutergarten ist nicht nur Ort der Kontemplation, sondern auch als pädagogische Fläche nutzbar, und enthält, ähnlich wie ein Klostergarten ein Spektrum an Hochbeeten, welche nach unterschiedlichen Themen, wie etwa Küchenkräuter, Heilkräuter, Arzneipflanzen, Duftpflanzen, kate- gorisiert, und zur Verbesserung des Lerneffektes entsprechend beschrif- tet werden können.
Der Obstgarten mit Wandelgang und Sitzmöglichkeiten versteht sich als Einladung zur Sammlung und Kommunikation, kann aber auch als Ort des gemeinsamen Arbeitens adaptiert werden. Das Erscheinungsbild der Bäume mit Blüten im Frühjahr und Früchten im Herbst, mit Licht und leichtem Schattenwurf, schafft eine freundliche und einladende Stim- mung.
Die in Nord-Südrichtung gestreckte Grundform des Klettergartens zeich- net eine gerichtete Bewegung vor. Die schlanken Stämme der Kiefern mit ihrem aufrechten Wuchs bilden einen Kontrapunkt zur longitudinalen Ausrichtung der Hoffigur und nehmen das Thema „Hoch hinaus“ auf. Sie symbolisieren Wachstum und Zielstrebigkeit, gleichzeitig offenbart sich hier ein Stück unvermutete Wildnis und Ursprünglichkeit innerhalb des Hauses. So läßt sich gedanklich ein Reise antreten mit Baum und Boul- derwand zur Felspartie im Wald.

MATERIALKLÄNGE:
Gute Architektur orchestriert Raum über Material, Konstruktion, Nutzung und Ortsbezug zu einem ganzheitlichen Erlebnis. Die Bedingungen hier- für sind Dauerhaftigkeit, Nützlichkeit und Schönheit. Architektur versteht sich vor diesem Hintergrund als Speicher von Wissen und Erfahrung und nicht als selbstreferenzielles System modischer Affekte. Sie fokussiert sich auf die Resonanzphänomene der Sinne – also auf sich wechselseitig anregende, überlagerte Sinnesmodalitäten und auf das Zusammenspiel dieser Modalitäten als Klang, kurzum, auf die Architektur als ganzheitli- ches Erlebnis. Das neue Schulhaus in Schwerin versteht sich in der Balan- ce aus den wichtigsten Anforderungen an Nachhaltigkeit, Wirtschaftlich- keit und architektonischem Anspruch. In seiner Materialwahl als Dialektik aus den Elementen eines linearen weitgehend stabförmigen Holzbaus in den Obergeschossen des Hochbaus und der räumlichen Flächenhaftig- keit des massiven Betonbaus im massiven Relief der Untergeschosse. Der Beton wird über das Zimmermannswerk der Holzschalung geschaf- fen und diese bildet ihre Prinzipien mittelbar in einer nahezu fugenlo- sen Brettschalung der Betonoberfläche ab. Diese selbe Schalung soll im Rahmenbau wiederverwendet werden und entfaltet hierbei in einem Wi- derspiegelungsverhältnis der (verinnerlichten) Fügeprinzipien ihr prosai- sches Potential durch die zwangsläufig sichtbaren Spuren ihrer ursprüng- lichen Verwendung. Diese Antagonie aus Holz und Beton wird abgeleitet aus der städtebaulichen Prämisse des wiedererkennbaren anderen Or- tes innerhalb einer durch den großflächigen Plattenbau der 70iger und 80iger Jahre geprägten Situation. Das sichtbar belassene, unbehandelte Holz tritt so in seiner natürlich belassenen Oberflächenqualität in einen größtmöglichen Kontrast zur Künstlichkeit des Plattenbaus in der unmit- telbaren näheren Umgebung. Der sich mit dieser Materialwahl ergeben- de Assoziationsraum zur Gestalt ergibt sich zwischen den Polen auto- chthoner stabbasierter Holzbauwerke einerseits und seriell gefertigter, monotaktisch gereihter, damit flächig wirkender moderner Holzbauten mit ihrer heute spezifischen Plattentektonik andererseits.

KONSTRUKTION UND FÜGUNG
Die Konstruktion erfolgt in einer Hybridbauweise aus Holz und Recy- cling-Beton, wobei der oberirdische Baukörper überwiegend aus Holz als elementierter Skelettbau erstellt wird und konstruktiv so ausgebildet wird, dass je nach Konjunktur bei Bedarf ein „Stoffwechsel“ zwischen Holz- und Beton- Fertigteilbauweise erfolgen kann. Die Fassade wird als in der Umgebung erkennbar „anderes“ Material ebenfalls aus Holz ausgebildet. Konstruiert aus selbsttragenden elementierbaren Rahmen- bautaufeln, welche die Dämmungen und die zum Brandschutz nötigen Verkleidungen aufnehmen. Die Leichtigkeit des Baus wird durch eine fi- ligrane Struktur aus feingliedrigen Kanthölzern, z.B. aus Lärche, erreicht.

Das hölzerne „Gewand“ wird in horizontal und vertikal überlagerten Schichten aufgebaut und macht die innere Struktur des Gebäudes nach außen hin ablesbar. Technische Installationen wie Sonnenschutzmarkisen, Entwässerungsleitungen etc. liegen verborgen hinter der vorgelagerten und hinterlüfteten Holzschicht. Die Lüftungsflügel sind als Oberlichtfens- terflügel im oberen Viertel der jeweiligen Fassadenöffnung angeordnet. Der Diskurs über die adäquate Absturzsicherung ist gelöst durch die Festverglasungen unterhalb der Lüftungsflügel. Die Brüstungen können so in niedriger Sitzhöhe ausgebildet werden und ermöglichen einen un- gehinderten Blick nach außen, sowohl im Sitzen am Schultisch als auch aus der Sitz-Position auf der Brüstungs-Bank in der Leibung. Im Innen- raum setzt sich die reduzierte Materialwahl konsequent fort. Sämtliche konstruktiven Bauteile aus Holz und Beton treten unverkleidet in Erschei- nung. Treppenhäuser aus Sichtbeton kontrastieren mit hell-warm-grau gestrichenen Gipsbauwänden. Im Erdgeschoss wird ein robuster und kostengünstiger Gussasphaltestrich eingesetzt. In den Obergeschossen wird Kautschukboden verlegt.

INKLUSION
Räumliche Ressourcen für individuelle Differenzierungs- Rückzugsmög- lichkeiten für Lernarrangements in Kleingruppen für Beratungs- und Betreuungsangebote für sozialpädagogisch, psychologisch und medizi- nisch geschultes Personal können, durch die flexibel mögliche Trenn- wandanordnung bei Bedarf in jeder Nutzungseinheit barrierefrei ange- ordnet werden. Die Lernumgebung ist also variabel konzipiert und wird selbstverständlich zur Gewährleistung der Barrierefreiheit möglichst ein- fach, intuitiv und unter Berücksichtigung unterschiedlich sensorischer Fähigkeiten nutzbar sein. Das Mehr-Sinne-Prinzip erfordert hierbei die Wahrnehmbarkeit aller relevanten Informationen zur Orientierung min- destens über zwei Sinne.

NACHHALTIGKEIT
Die robuste Grundstruktur des Gebäudes soll eine möglichst lange Nut- zungsdauer ermöglichen. Es werden ausschließlich natürliche Materia- lien aus der Region eingesetzt. Es erfolgt eine klare Systemtrennung von Rohbau und Ausbau. Die Befestigung aller baukonstruktiven Einbauten erfolgt demontierbar mittels verdeckt ausgeführter Schraubverbindun- gen. Alle Baustoffe können sortenrein voneinander getrennt und wieder- verwendet werden. Verbundstoffe werden nach Möglichkeit vermieden. Die repetitive Struktur der Fassade und der Einsatz von vorfabrizierten, modularen Decken- und Wandsystemen garantieren eine optimierte wirtschaftliche Bauweise. Auf der Dachfläche sind PV-Anlagen optisch in die Architektur integriert um den Eigenbedarf an Strom zu decken. Die Installierbarkeit der technischen Gebäudeausrüstung ist einfach gehal- ten und erfolgt losgelöst von der Gebäudearchitektur. Sämtliche Nieder- schläge verbleiben auf dem Grundstück. Eine direkte Ableitung in die öffentliche Kanalisation ist nicht vorgesehen. Ein Anteil der Niederschlä- ge soll dort, wo möglich, oberflächig in den Vegetationsflächen über die belebte Bodenzone versickert werden. Im Parkplatzbereich erfolgt Oberflächenentwässerung über Mulden, weitere befestigte Flächen über Mulden- Rigolensysteme. Die Dächer werden als Retentionsdächer aus- gelegt, um die Niederschläge gedrosselt ableiten zu können. Für die Herrichtung des Geländes ist der Abbruch der Flächenbefestigungen aus Beton zur Wiederverwendung (Recycling) vorgesehen. Durch den Einsatz mobiler Technik sollen die Transportwege dabei so kurz wie mög- lich gehalten werden.

TRAGWERK
Das oberirdische Primärtragwerk des unterkellerten 4-geschossigen Schulneubaus bildet eine nachhaltige vorgefertigte Skelettkonstruktion, bestehend aus Stützen und Riegeln / Balken aus Stahlbeton bzw. Holz, auf denen vorgefertigte 2,75m breite Rippendeckenelemente als Holz- Verbund-Konstruktionen aufgelegt und zu einer schubsteifen Scheibe verbunden werden. Die Betonanteile der Hybridkonstruktion sind da- bei frei ansichtig, so dass diese als thermische Speichermasse mit zum Ansatz kommen können. Die nichttragende Fassadenkonstruktion wird geschosshoch auf einer Länge von 8,25m inkl. aller Aus- und Einbauten vorgefertigt. Durch den umlaufenden Regelachsabstand in Quer- und Längsrichtung von 8,25m wird ein signifikanter Wiederholungsgrad für den zum Einsatz kommenden übersichtlichen Bauteilkatalog geschaffen sowie gleichzeitig die Grundlage für einen stringenten und klaren Last- abtrag durch die sich östlich und südlich im Untergeschoss befindliche Tiefgarage geschaffen. Die Aussteifung übernehmen regelmäßig im Grundriss angeordnete typisierte Treppenhäuser und Aufzugsschäch- te sowie die erforderlichen Brandwände. Das Primärtragwerk wird mit teils geringeren Spannweiten für die erdgeschossige Innenhofbebauung übernommen. Die Sporthalle wird mittels Brettschichtholzträgern über- spannt. Die Gründung erfolgt gemäß den Empfehlungen des Baugrundgutachters.

Bauherr: Landeshauptstadt Schwerin

Architekt:  Moeller Soydan Architektur

Statik: Pichler Ingenieure

Landschaft: Atelier 8 Berlin Landschaftsarchitekten

Standort: Neu-Zippendorf – Am Berliner Platz /

Magdeburger Straße

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Erweiterung Schickhardt-Gemeinschaftsschule Stuttgart 3.Preis